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Hypothesen

Im Jahr 2017 sind humanoide Roboter in erster Linie eine Kuriosität, eine Attraktion, die Staunen und Faszination bei menschlichen Beobachtern hervorruft, vor allem wenn die Stärken des Roboters in der Präsentation entsprechend ausgespielt werden.

Hypothese 1: "Roboter sind toll, aber weit weg."

Wenn Menschen im Jahr 2017 humanoide Roboter erleben, stellen sie zunächst einmal keinen direkten Bezug zu ihrer eigenen Lebenswelt her. Sie mögen vielleicht glauben, dass Roboter irgendwann einmal irgendwo wichtig sein werden, jedoch können sie (oder wollen?) sich nicht vorstellen, dass humanoide Roboter zu ihrem ganz persönlichen Leben dazugehören werden, vielleicht eher als sie denken oder wollen.

Frage 1: Wie können humanoide Roboter ihre Wahrnehmung durch den Menschen beeinflussen?

Genauer gesagt, wie können sie die Valenz und Intensität ihrer Wahrnehmung durch Menschen in ihrem Sinne gestalten, d.h. so, dass Menschen die Roboter in den von ihnen dargestellten Rollen in den jeweiligen Szenarien akzeptieren und Beziehungen zu ihnen aufbauen, die Menschen wie Maschinen förderlich sind.

Hypothese 2: "Roboter verändern die Gesellschaft."

Humanoide Roboter werden die Bereiche der menschlichen Gesellschaft, in die sie eingeführt werden, verändern. In dem Maße wie ihre Zahl und die Vielfalt der Szenarien, in denen sie eingesetzt werden, zunehmen, werden die durch Roboter gebrachten Veränderungen von Menschen immer stärker wahrgenommen werden. Die Valenz und Intensität dieser Wahrnehmung wird die Haltung von Menschen gegenüber humanoiden Robotern maßgeblich beeinflussen.

Frage 2: Wie können Menschen auf humanoide Roboter in ihrer Lebenswelt vorbereitet werden?

 

Speziell für das Projekt HEART: Wie können Menschen auf das Lehren und Lernen mit humanoiden Robotern vorbereitet werden?

Gemeint ist hier der Einsatz des Roboters für ganz reguläre Aufgaben, auf Dauer, die vielleicht vorher von einem Menschen erledigt wurden. Hierfür müssen die Kultur und die Menschen darin zur Akzeptanz von menschlichen Maschinen hingeführt werden. Dieser Prozess braucht Zeit, denn menschliche Wertesysteme ändern sich nicht über Nacht.

Das Problem wird sein, dass der technische Fortschritt sehr viel schneller menschliche Maschinen hervorbringen wird als sich die Kultur ändern kann. Anders ausgedrückt: Roboter werden in die Gesellschaft Einzug halten, bevor diese darauf vorbereitet ist. Die dadurch entstehenden Veränderungen werden unweigerlich zu Konflikten führen.

Hypothese 3: "Roboter verändern mich."

Die persönliche Betroffenheit durch die Existenz und das Handeln von humanoiden Robotern in der eigenen Lebenssituation verändert die Einstellung des bzw. der Betroffenen ihnen gegenüber. Wesen und Grad der Involviertheit beeinflussen Valenz und Intensität der Einstellung.

Frage 3: Wie können humanoide Roboter im Lebensumfeld einer Person so existieren und handeln, dass die Einstellung der Person ihnen gegenüber positiv ausfällt?

Prinzipiell geht es darum, nicht mit Gewalt in das Leben des betroffenen Menschen hineinzudrängen, sondern dem Menschen Zeit zu geben, sich an die neue künstliche Lebensform in seinem Lebensbereich zu gewöhnen, durch Verlässlichkeit und Vorhersagbarkeit sowie vom Menschen her vertraute Verhaltensmuster Schritt für Schritt Vertrauen und darauf basierend eine Beziehung aufzubauen. Die Kultivierung von positiven Beziehungen zwischen Menschen und ihren menschlichen Maschinen wird eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein.

Hypothese 4: "Roboter können viele Masken tragen."

Humanoide Roboter sind Akteure, die eine Vielzahl von menschlichen Rollen spielen können und in zunehmendem Maße bereits ausfüllen. Diese Rollen können traditionell von Menschen besetzt sein. Roboter werden Menschen in ihren Rollen durch die eigenen Rollen ergänzen oder verdrängen.

Frage 4: Was passiert mit Mensch und Maschine, wenn sich die Rollenverteilung ändert?

Es wird nicht ausbleiben, dass bestimmte menschliche Rollen im Alltagsleben ganz oder zumindest hauptsächlich von menschlichen Maschinen übernommen werden. Im Interesse einer möglichst harmonischen und produktiven Koexistenz ist jedoch darauf hinzuarbeiten, dass sich Mensch und Maschine mehr ergänzen als dass sie miteinander konkurrieren.

Hypothese 5: "Roboter verändern Lehren und Lernen."

In dem Maße wie ihre didaktische, emotionale und multimodale Kompetenz zunimmt, werden sich humanoide Roboter zunehmend für Rollen in Lehr- und Lernszenarien qualifizieren, inbesondere durch Assistenz- und Beratungsdienstleistungen.
Eine Verdrängung des Menschen durch menschliche Maschinen in diesen Dienstleistungen wird auf absehbare Zeit wohl weitestgehend ausbleiben, da die hierfür erforderlichen Fähigkeiten beim Menschen noch robuster und flexibler ausgeprägt sind. Dennoch lassen sich neben Assistenz und Beratung weitere Rollen definieren, wie z.B. die des Technologiebotschafters, der insbesondere in Lernenden die Faszination für neue Technologien, speziell die Robotik, weckt. Oder der Roboter dient als Lehrwerkzeug, z.B. als programmierbares Objekt in Programmierkursen.

Frage 5: Wie kann das Miteinander in der Lehre gestaltet werden?

Welche Part spielen Lehrende, Lernende und humanoiden Roboter? Wie ergänzen sich die Rollen von Menschen und Maschinen?
Universale Antworten auf diese Fragen dürften schwierig zu finden sein.

Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die konkrete Lehr- und Lernsituation genau analysiert werden muss, um die für dieses Szenario passende Rollengestaltung und Rollenverteilung zu ermitteln.

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